Die Sprachlandschaft der Porzellangasse (1090 Wien)

Einleitung

Die heutige Situation der aus Nordafrika und Mittelosten kommenden Geflüchteten ist eines der großen Probleme der Welt.  Die EU-Länder fühlen diese Schwierigkeit am meisten, besonders in den süd-osteuropäischen Ländern, durch die die meisten Geflüchteten kommen.  Aber Österreich bekommt auch einen großen Teil der in die EU-Länder kommenden Geflüchteten und Wien selbst nimmt circa 40% diesen Teil der nach Österreich Kommenden an.

In Wien werden die Geflüchteten noch weiter in die verschiedenen Bezirke verteilt.  Wenn man in jedem Bezirk die Prozente von Menschen mit ausländischer Herkunft anschaut, wird es noch klarer, dass die Teilung nicht ganz gleich ist.   Während 52 Prozent der Menschen, die im 15. Bezirk wohnen, ausländische Herkunft haben, besitzen nur 25 Prozent der BewohnerInnen des 23. Bezirks ausländische Herkunft.

Diese Analyse beschäftigt sich mit dem 9. Bezirk, in dem 41 Prozent die BewohnerInnen ausländische Herkunft haben, 3 Prozent höher als der Durchschnitt.  Dieser Bezirk liegt am Ring neben dem Donaukanal nördlich vom 1. Bezirk.  Der 9. Ist relativ bekannt, weil die Medizinische Universität im 9. Bezirk liegt, daher ist es auch eine Möglichkeit, dass viele Menschen, die ausländische Herkunft haben, StudentInnen sein könnten, die nach Wien (und dem 9. Bezirk) kommen, um an der Uni zu studieren.  Das könnte bedeuten, dass dieses relative hohe Prozent von Menschen mit ausländischer Herkunft nicht wegen Geflüchtete ist.

Um den Multikulturalismus des Bezirks genauer zu studieren, wird der visuelle Multikulturalismus des Bezirks, d.h., die Sprachlandschaft, untersucht.  Dieses Forschungsfeld ist innerhalb der Soziolinguistik ein relativ junges Gebiet, das versucht, die gebrauchten Sprachen im öffentlichen Raum (z.B., Schilder, Graffiti, Stickers) zu dokumentieren und analysieren.  Durch so eine Untersuchung kann die Forschungsfrage beantwortet werden, inwieweit der Multikulturalismus des Bezirks sichtbar ist.  Manchmal ist es der Fall, dass obwohl die Statistiken ein hohes Prozent von Menschen mit ausländischer Herkunft zeigen, wegen Integration ist dieser Multikulturalismus nicht sichtbar.  Diese Informationen ermöglichen dem Forscher analysieren zu können, ob die Statistiken und Sprachlandschaft sich widerspiegeln.

Als neunzehnjähriger Amerikaner, der erst seit 2 Wochen in Wien ist, vertritt der Forscher selbst eine ausländische Perspektive und muss diese Perspektive in Betracht während der Datensammlung und Analyse ziehen.

 

Methodologie

Mitten im 9. Bezirk liegt die Porzellangasse.  Sie ist nicht die größte Einkaufsstraße des Bezirks aber sie ist doch eine zentrale wichtige Straße, die Roßauer Brücke und Franz-Josephs-Bahnhof verbindet, auf der sich viele Restaurants, Geschäfte und Laden befinden und auch seit ein paar Jahren ein Teil von dem „Weg der Erinnerung“ wurde.  Dadurch kann man relativ ungezwungen erkennen, dass diese Straße nicht nur hinsichtlich ihrer Lage zentral ist, sondern auch im kulturellen und historischen Kontext.

Die Sorten von Geschäften sind sehr unterschiedlich.  Es gibt auf dieser Straße viele Kaufmöglichkeiten: Cafés, Drogerie, Supermarkt, Friseur und viel mehr. Wegen der vielen Möglichkeiten ist die Porzellangasse eine geeignete Straße zu studieren, denn es gibt dann keine kulturellen Einschränkungen von Menschen, die hier kaufen wollen oder einen Laden eröffnen wollen.

Die gesammelten Texte sind folgende: Schilder (Restaurants, Laden, auf der Straße) und Stickers (irgendwelche Texte, die am unrichtigen Platz liegen oder geklebt werden).

Beispiele von Ladenschildern

 Nur die Zahl der Ladenschilder wurden gesammelt und nur Schilder in den Fenstern des Ladens oder oben an dem Gebäude zählt zur Kategorie Schilder.   Schilder wurde hinsichtlich der Sprache und noch weiter hinsichtlich der Permanenz kategorisiert, d.h. Schilder aus Stein, in Glas geschnitten oder mit einem Rahmen wurden als “permanent” gezählt und Schilder aus nur Papier wurden als “nicht permanent.”  Für die Kategorie “Stickers” wurden nur die Zahl und Sprache beziehungsweise gesammelt. Wenn mehr als eine Sprache auf einem Sticker oder Schild steht, wurde das als “zwei” Texte gezählt, einmal pro Sprache.  

Beispiele von transgressive Textsorten

Die Porzellangasse wurde zwischen Pramergasse und Alserbachstraße entlanggegangen.  Weil diese Strecke so groß ist, wurde nur eine Seite der Straße dokumentiert.  

Um mehrere Perspektiven zu holen, wurden die Interviews mit einer Familie gemacht, die auf der Straße wohnt.  Der Kind und die Eltern wurden getrennt interviewt, um die ältere und jüngere bzw. Perspektiven zu sammeln.

 

Ergebnisse

Im Folgenden wird zunächst die insgesamte Zahl der gesammelten Items hinsichtlich ihrer Sprachen vorgestellt.  Anschließend wird jedes Sprachvorkommen als entweder ein Schild oder ein Sticker gezeigt.  Schilder wird weiter als entweder „permanent“ oder „nicht permanent“ dargestellt.

Tabelle 1 zeigt, dass die häufigste vorkommende Sprache Deutsch mit 45,12 Prozent der Vorkommen ist.  Nicht weit dahinter kommt Englisch mit 36,58 Prozent und dann Französisch und Russisch mit 3,65 bzw. 2,43 Prozent der Vorkommen.  Sonstige Sprachen betragen die übrigen Sprachvorkommen.  

 

Tabelle 2 stellt die Aufteilung der Sprachvorkommen dar, nachdem die Vorkommen als Schild oder Sticker getrennt worden sind. Deutsch kommt als häufigste Sprache auf Schildern mit 79 Prozent der Vorkommen vor, gefolgt von Englisch, Französisch und Russisch.  Keine sonstigen Sprachen wurden auf Ladenschildern gesehen.  Englisch kommt am meisten mit 52 Prozent auf Stickers vor.  Danach kommen Deutsch und Russisch.  Sonstige Sprachen umfassen das andere 20 Prozent.

 

Die Trennung innerhalb der Kategorie Schilder wird in Tabelle 3 weitergeführt, indem die Schilder-Sprachvorkommen werden als Prozent hinsichtlich ihrer Permanenz gezeigt.  82 Prozent der deutschen Ladenschilder fallen unter die Kategorie „permanent.“  60 Prozent der englischen Schilder und 67 Prozent der französischen Schilder sind auch permanent.  Das einzige Russische Ladenfenster-Schild ist aus Papier.  

Tabelle 3: Permanenz der Schilder

Der einzige russische Ladenschilder (aus Papier)

In dem Interview mit einer Familie, die in der Porzellangasse wohnt, geht es um ihre Meinungen über den Multikulturalismus auf dieser Straße.  Dieses Interview beschäftigt sich nicht nur mit der dokumentierten Strecke der Straße, sondern mit der ganzen Straße.  Im Interview sagten die Eltern und der Sohn, dass diese Straße sehr multikulturell sei.  Sie erwähnten die ausländischen Restaurants und Cafés aber in Bezug auf die Forschungsfrage, sagten sie, dass die meisten Menschen mit ausländischer Herkunft, die sie persönlich kennen und die auf der Porzellangasse wohnen oder arbeiten, ganz oder so gut wie ganz integriert seien.  Die Mutter gab ein Beispiel von einer Familie, die griechische Herkunft hat.  

Restaurantschilder der griechischen Familie

Dazu sagte die Mutter, diese Familie wohne und besitze seit 20 Jahren auf dieser Straße ein griechisches Restaurant aber alle Textsorten in diesem Restaurant seien auf Deutsch.  Der Vater und Sohn gaben ähnliche Beispiele von chinesischen und serbischen bzw. Geschäftsinhabern.  Insgesamt vertrat diese Familie die Meinung, dass das Multikulturalismus nicht sichtbar sei, weil die meisten Menschen integriert seien.  

 

Diskussion

In der ersten Tabelle ist es keine Überraschung, dass insgesamt Deutsch die häufigste vorkommende Sprache ist.  Allerdings erscheint die Überraschung, weil Deutsch nicht mehr als 9 Prozent mehr als Englisch vorkommt.  Aber durch Tabellen 2 und 3 kann man sehen, dass Englisch meistens durch Stickers vorkommt und im Vergleich zu den deutschen waren englische Schilder nicht so permanent.  Das heißt, diese Daten könnte ein Machtverhältnis zwischen der dominanten Muttersprache (Deutsch) und der ausländischen Sprache (Englisch) gezeigt werden.  Auch interessanterweise dabei ist es auch der Fall das Englisch oft als etwas symbolisches benutzt wird, weil der englische Satz Unsinn ist (folgendes Foto).

Beispiel von Englisch, dass kein Sinn macht

Aber die Tabellen zeigen auch, dieser Bezirk, in dem 42 Prozent der Menschen ausländische Herkunft haben, scheint nicht so multikulturell.  Andere Sprachen kommen kaum vor und dieser Multikulturalismus des Bezirks scheint eher in Bezug auf die Schilder als Zwei-Kulturalismus.

Um dieses Faktum zu verstehen, muss man das Interview genauer anschauen.  Darin erkennt man, die meisten Menschen, wie die griechische Familie, machen eine deutliche Wahl, Deutsch zu verwenden.  Diese Familie könnte auch griechische Buchstaben benutzen aber das tun sie nicht.  Die meisten Menschen mit ausländischer Herkunft auf dieser Straße sind integriert und als integriert wollen sie sich selbst darstellen.

In diesem Sinn heißt „integriert,“ dass man Deutsch im öffentlichen Umfeld verwendet, und daher kommt fast nur Deutsch auf Geschäftsschildern vor, weil die ausländische Herkunft besitzende Familien wollen sich als integriert darstellen.  Auch von der auf der Straße wohnenden Familie wurde gelernt, dass dieser Geschäftsinhaber schon seit lange im Bezirk wohnen.  Und weil diese griechische Familie Deutsch verwendet und seit lange im Bezirk wohnen, kategorisiert die gefragte Familie die griechische Familie als „integriert,” obwohl die Familie ein griechisches Restaurant hat.  Wegen dieses Faktum könnte man dann auch behaupten, die Wörter “integration” und “ausländische Herkunft” sind nicht so wichtig, wenn man seit so lange in einem anderen Land wohnt.   

Aber die Statistiken lügen nicht an, der 9. Bezirk ist doch ein multikultureller Bezirk, das sieht man auch im Interview mit der Familie.  Es gibt viele Beispiele von Geschäftsinhaber, die ausländische Herkunft haben, und diese Beispiele sind nur von Geschäftsinhaber.  Interessanterweise aber kommt dieser Multikulturalismus auch nicht so viel durch Stickers vor.  Die häufigste Sprache auf den Stickers ist Englisch.  Und Englisch, wenn man an der Sprache der Menschen mit ausländischer Herkunft denkt, ist wahrscheinlich nicht die Muttersprache dieser Menschen.   Es gibt doch einen Anteil von anderen Sprach (die nicht Deutsch sind) aber dieser Anteil der sonstigen Sprachen spiegelt sich auch die Statistiken nicht.  Es könnte sein, dass es eine kulturelle Unterdrückung gibt, aber weil es so ein großer Anteil von englischen Stickers gibt, ist das vermutlich nicht der Fall.  Wahrscheinlicher haben diese Stickers und diese Vorkommen von anderen Sprachen weniger mit Multikulturalismus zu tun hat.  

Um dies zu studieren, bräuchte man mehr Daten zu sammeln, spezifisch müsste man andere Menschen, die entweder auf dieser Straße wohnen oder arbeiten und die ausländische Herkunft haben, fragen, ob sie sich wegen ihrer Herkunft unterdrückt fühlen, damit man besser spekulieren könnte, ob der Multikulturalismus wegen Unterdrückung oder “Integration” nicht vorkommt.